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Zugewinnausgleich bei erheblichem Vermögenszuwachs nach langer Trennung

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2013 - XII ZB 277/12

Ehepaare die nichts Anderes vereinbart haben leben in einer sogenannten Zugewinngemeinschaft.

Wird die Ehe durch Scheidung aufgelöst findet ein sog. Zugewinnausgleich statt, d.h. dass bei jedem Ehepartner geprüft wird wie viel Vermögen bei Eheschließung vorhanden war und wie viel Vermögen zum Zeitpunkt zu dem der Scheidungsantrag dem anderen Ehepartner vom Gericht zugestellt wird, vorhanden ist.

Die Differenz dieser Beträge ist der sog. Zugewinn. Hat ein Ehepartner einen höheren Zugewinn erzielt als der andere, so muss er den hälftigen Überschussbetrag beim Ehepartner ausgleichen. Dies bezeichnet man als Zugewinnausgleich.

Zur Verdeutlichung das nachfolgende Beispiel:

Der Ehemann hatte bei Eingehung der Ehe ein Vermögen von 20.000 €, zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages hat er ein Vermögen von 60.000 €.

Er hat also einen Zugewinn i.H.v. 40.000 € erzielt.

Die Ehefrau hatte bei Eingehung der Ehe ein Vermögen von 10.000 €, zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages ein Vermögen von 30.000 €. Sie hat also lediglich einen Zugewinn i.H.v. 20.000 € erzielt. Der Zugewinn des Mannes übersteigt den der Frau also um 20.000 €. Die Hälfte dieses Betrages also 10.000 € kann sie daher im Wege des Zugewinnausgleiches von ihm verlangen

(siehe hierzu auch den vorhergehenden Beitrag in unserem Blog).

Nun kann es vorkommen, dass Ehepaare schon lange Zeit getrennt leben und sich nicht scheiden lassen. Tritt nun bei einem Ehegatten ein erheblicher Vermögenszuwachs ein und reicht er erst danach die Scheidung ein, so wird dieser Zuwachs grundsätzlich seinem Endvermögen d.h. seinem Vermögen bei Zustellung des Scheidungsantrags, hinzugerechnet.

Dadurch ist natürlich der Zugewinnausgleich des anderen Ehegatten stark erhöht.

Würde im obigen Beispielsfall das Vermögen des Ehemannes durch einen Lottogewinn 500.000 € erhöht, so hätte er einen Zugewinn i.H.v. 480.000 € erzielt. Sein Zugewinn würde den der Ehefrau um 460.000 € übersteigen. Die Ehefrau könnte dann den hälftigen Überschuss i.H.v. 230.000 € verlangen.

Leben die Ehegatten nun schon seit Jahren getrennt scheint dieses Ergebnis vielen völlig ungerecht. Sie wollen nicht, dass der Ehepartner an einem Vermögenszuwachs teilhat zu dem er selbst in keinster Weise mehr etwas beigetragen hat.

In Fällen in denen ein solcher Ausgleich extrem ungerecht erscheint, besteht von Gesetzes wegen die Möglichkeit den Ausgleichsanspruch des anderen Ehegatten wegen grober Unbilligkeit

(§ 1381 BGB) auszuschließen. Grobe Unbilligkeit ist allerdings nur dann gegeben, wenn die Gewährung des Ausgleichs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Es ist immer eine Einzelfallbeurteilung durch das Gericht erforderlich.

Grobe Unbilligkeit kann vorliegen, wenn die Ehe nur drei Jahre gedauert, das Ehepaar dann 17 Jahre getrennt gelebt und der Vermögenszuwachs auf der ganz besonderen Anstrengung eines Ehepartners beruht (BGH 06.02.02, XII ZR 213/00). Allein die Tatsache, dass das Ehepaar zum Zeitpunkt des Vermögenszuwachses seit Jahren getrennt gelebt hat genügt demnach noch nicht um den Zugewinnausgleichsanspruch auszuschließen.

So hat der BGH auch in einem Fall entschieden in dem ein Ehepaar, das zuvor 38 Jahre verheiratet war und seit 9 Jahren getrennt gelebt hatte (BGH v. 16.10.13, XII ZB 277/12).

Der Ehemann hatte zusammen mit seiner neuen Partnerin einen Lottogewinn i.H.v. 956.333,10 € erzielt und stellte erst nach dem Erhalt des Gewinns einen Scheidungsantrag. Die Ehefrau machte sodann einen Zugewinnausgleich i.H.v. 242.500 € geltend.

Der Ehemann berief sich auf grobe Unbilligkeit.

Der BGH entschied, dass der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau nicht ausgeschlossen sei:

„Die Tatsache, dass der für den Zugewinnausgleich maßgebliche Vermögenszuwachs zu einer Zeit erfolgte, zu der die Ehegatten bereits längere Zeit getrennt lebten, rechtfertigt für sich allein betrachtet die Anwendung des § 1381 I BGB nicht.“

Ein Ehepartner, der keinen Antrag auf Scheidung stellen möchte kann nämlich nach einer dreijährigen Trennungszeit nach §§1385, 1386 BGB die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen. Dann werden solche Vermögensmehrungen die nach Aufhebung der Gemeinschaft eintreten, nicht mehr beim Zugewinn berücksichtigt.

Wer von dieser gesetzlichen Möglichkeit keinen Gebrauch macht, der soll sich wegen der langen Trennungszeit allein auch nicht auf grobe Unbilligkeit berufen können.

Es spielt nach dem BGH auch keine Rolle, dass der andere Ehepartner zu der Vermögensmehrung keinen Beitrag geleistet hat, weil sich bei der Berechnung des Zugewinnausgleiches um eine pauschalierte Berechnung handelt die nicht hiernach differenziert.

Fazit: Wer schon Jahre von seinem Ehepartner getrennt lebt sollte sich, um solche Ergebnisse zu vermeiden, scheiden lassen oder die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft beantragen.

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