BGH: "Halterhaftung" bei Falschparken!
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.3. 2016, V ZR 102/15 In unserem Beitrag vom 28.6.2015 haben wir bereits dargelegt, dass Falschparker
(auf privatem Grund) grundsätzlich verpflichtet sind die Kosten eines Abschleppvorgangs zu ersetzen. Parkt ein Autofahrer widerrechtlich und schuldhaft auf fremdem Eigentum, so ist er grundsätzlich zum Schadenersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 BGB verpflichtet (verbotene Eigenmacht). Schadensersatzansprüche erfordern jedoch grundsätzlich ein schuldhaftes Verhalten, daran fehlt es gelegentlich. Was ist nun, wenn ein Halter sein Auto verleiht und dieser Entleiher widerrechtlich irgendwo parkt? In diesem Fall trifft den Verleiher des Autos natürlich kein Verschulden, er "kann ja" grundsätzlich nichts dafür, dass der Entleiher sein Auto irgendwo widerrechtlich abstellt. Fraglich ist aber, ob auch in diesen Fällen, in denen dem Eigentümer bzw. Halter eines Fahrzeuges kein Vorwurf zu machen ist, dass sein Auto auf einem Parkplatz steht, er dennoch zum Ersatz von Abschleppkosten durch den Grundstückseigentümer herangezogen werden kann.
Das hat der Bundesgerichtshof in dem gegenständlichen Urteil entgegen der Vorinstanz (Landgericht Berlin) nun bejaht. Auch wenn eine andere Person (z.B. Kinder, Ehegatte) widerrechtlich mit dem eigenen Fahrzeug auf einem fremden Grundstück parkt, ist auch der Halter zur Beseitigung des Fahrzeuges von dem fremden Grundstück verpflichtet, auch dann wenn er es selbst dort nicht abgestellt hat. Gemäß § 862 Abs. 1 BGB kann nämlich der Besitzer von dem so genannten Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Störer ist nicht nur derjenige, der das Fahrzeug selbst widerrechtlich abgestellt hat, sondern grundsätzlich auch derjenige, der der Person, welche das Fahrzeug abgestellt hat, das Fahrzeug überlassen hat. Der Bundesgerichtshof sieht die Überlassung des Fahrzeugs an den tatsächlichen Falschparker als ausreichendes Zurechnungskriterium/Haftungskriterium an. Nun stellt sich die Frage ob die Kosten einer Abschleppung des Fahrzeuges auch dem Halter (als Störer) auferlegt werden können.
Auch dies hat der Bundesgerichtshof in dem gegenständlichen Urteil bejaht. Schleppt der Grundstückseigentümer das widerrechtlich geparkte Fahrzeug des Halters ab, tätigt er ein Geschäft des Halters, da dieser wie soeben dargelegt ebenfalls zur Beseitigung des Fahrzeuges verpflichtet ist (§ 683 S. 1 BGB i.V.m. § 670 BGB).
Es handelt sich dabei um eine sogenannten Geschäftsführung ohne Auftrag. Aufwendungsersatzansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Halter des Fahrzeuges setzen jedoch voraus, dass das Abschleppen auch dem tatsächlichen oder mutmaßlichen (vermeintlichen) Willen des Halters entspricht. Hierin lag das Problem des Falls.
Das Landgericht Berlin hat als Vorinstanz abgeurteilt, dass es regelmäßig nicht dem wirklichen und auch nicht den vermeintlichen Willen eines Halters entspricht, dass er kostenpflichtig abgeschleppt wird. Dem ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten:
Entscheidend sind nicht die entstehenden Kosten, sondern ein anderer Umstand. Da wie soeben dargelegt auch der Halter des Fahrzeuges als Störer verpflichtet ist sein Fahrzeug vom Grundstück des Eigentümers zu entfernen wird durch den Abschleppvorgang des Grundstückseigentümers der Halter gleichzeitig auch von seiner Pflicht befreit das falsch abgestellte Fahrzeug zu entfernen. Es entspräche aber eindeutig dem Willen des Halters, dass er von seiner Störbeseitigungspflicht (durch das Abschleppen) befreit wird. Da die Beseitigung des Fahrzeuges daher zumindest auch im Interesse des Fahrzeughalters liegt, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Willensgemäßheit vermutet werden. Der Bundesgerichtshof kam daher zu dem Ergebnis, dass durch das Abschleppen eine berechtigte Geschäftsführung des Grundstückseigentümers für den Halter des falsch abgestellten Fahrzeuges vorliegt. Eine solche berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag gewährt dem Grundstückseigentümer gemäß § 670 BGB gegen den Halter des falsch abgestellten Fahrzeuges einen Anspruch auf Aufwendungsersatz. Die notwendigen Aufwendungen des Grundstückseigentümers bestanden in den Kosten, welche er für das Abschleppunternehmen aufzuwenden hatte. Über diese Konstruktion konnte der Bundesgerichtshof einen Anspruch des Grundstückseigentümers gegen den Halter des falsch parkenden Autos begründen.
Die wesentliche Erkenntnis des besprochenen Urteils lässt sich auf zwei Aspekte reduzieren. 1.) Auch der Halter eines Fahrzeuges, das falsch abgestellt ist, begeht regelmäßig (neben dem Fahrer) eine verbotene Eigenmacht. Wenn der Halter sein Fahrzeug einer anderen Person übergibt, welche dann das Fahrzeug falsch abstellt, muss er sich dies zurechnen lassen. Er ist dann auch neben dem Fahrer Eigentumsstörer. 2.) Der Grundstückseigentümer, der das falsch abgestellte Fahrzeug abschleppen lässt befreit dadurch zugleich/zeitgleich den Fahrzeughalter von dessen Pflicht das Fahrzeug vom Grundstück zu entfernen. Diese Vorgehensweise entspricht nach dem Bundesgerichtshof jedenfalls dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters. Die Kosten des Abschleppvorgangs hat der Halter daher auch dann zu zahlen, wenn er überhaupt nicht weiß, dass sein Fahrzeug falsch geparkt wurde.
Merken sollte man sich als Fazit des Urteils, dass man auch dann für Abschleppkosten herangezogen werden kann, wenn das Fahrzeug von einem Dritten, dem man es überlassen hat, falsch geparkt wurde. Ob der Halter die entstandenen Kosten von den tatsächlichen Falschparker nicht selbst wieder ersetzt verlangen kann steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt.
Der juristisch interessierte Leser findet das Urteil im Volltext hier.
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